Freitag, 29. Februar 2008

Wo Haie im Wasser sind lernt man schwimmen

Stehe ich am Strand und sehe wenige Meter vor mir Haifischflossen aus dem Wasser ragen und Kreise ziehen, werde ich meine Füsse auf keinen Fall nass machen. Spielt aber mein Sohn in den aufschäumenden Wellen, werde ich einen Schwimmkurs in wenigen Sekunden schaffen, wofür ich sonst Jahre gebraucht hätte.

Ich erinnere mich an das erste auf Deutsch geführte Interview mit der bewundernswerten und an Meriten reichen Micheline Calmy-Ray. Ich verstand kein einziges Wort und zweifelte wieder einmal an meinen eigenen Deutschkenntnissen. Doch mein Ehemann beruhigte mich und meinte, dass offenbar die ihren eher dürftig seien.
Heute ist es nicht nur sympathisch ihr zuzuhören und zu verstehen was sie zu sagen hat, ich folge ihr jederzeit. Wir haben in der Zwischenzeit beide Fortschritte gemacht.

Als wir das erste Mal Alt-Bundesrat Christoph Blocher französisch sprechen hörten, haben wir uns krumm gelacht. Sein "liebi Froue u Manne" funktionierte plötzlich nicht mehr. Seine Fortschritte verfolgten wir nicht weiter, ihn wollten wir gar nicht verstehen, sein deutsch und deutlich war uns absolut genug.

Wenn man jemanden nicht anhören will, kann man sagen, seine Sprachekenntnisse seien ungenügend - oder wie es Mike Sommer im Bieler Tagblatt schrieb: "verbesserungswürdig". Man kann sich trotzdem um Verständigung bemühen oder die Kommunikation vorerst einschränken oder sogar abbrechen.

Ich habe am Mittwochabend an der Nominierungsversammlung der SP Gesamtpartei Biel ein Wechselbad an Kommunikation erlebt. Mehrheitlich habe ich mich gut aufgenommen gefühlt und viele Sympathiekundgebungen auch von Menschen erhalten, die ich an diesem Abend das erste Mal gesehen habe.
An dieser Stelle danke ich ganz besonders Teres Liechti Gertsch, die eine ganz besondere Frau ist. Ich danke auch Barbara Tanner, die an diesem Abend auch Premieren-Stress hatte und und mich trotzdem fühlen liess, dass wir an einem gemeinsamen Strick ziehen. Und ich danke auch Otto Arnold und Alain Sermet, die sich beide speziell für mich eingesetzt haben.

Meine Kandidatur gab zu diskutieren. Kein Wunder, denn ich hatte ein Blackout der besonderen Art. Zwar war ich vorbereitet auf alle möglichen Wendungen, die an so einer Nominierungsversammlung auftreten können. Doch als ich da vorne am Tisch den Delegierten gegenüber sass und die freundlichen Gesichter studierte, fielen mir auch solche auf, die wenig Gutes verhiessen. Plötzlich wurde mir bewusst, was man uns an der BFF (Berufs- Fach und Fortbildungsschule Bern) in Sachen nonverbaler Kommunikation beibringen wollte.
Heute erlebte ich es praktisch und ungeschminkt. Ich musste mit ganzen Gefühls-Tsunamis fertig werden die mir da unvermittelt entgegen brandeten. Das war mir in dieser Heftigkeit eine völlig neue Erfahrung, die ich mitnehme und an der ich zu arbeiten habe. Ich lernte, dass nicht gesprochene Sprache brutaler ankommen kann, als laute, bös gemeinte Worte, die auch lächerlich wirken können.

Mir verging das Lachen und vermutlich auch das Lächeln. Dann musste ich aufstehen, mich zeigen und mich vorstellen, mich "verkaufen", wie das mein Ehemann so unschön nannte. Was er mir nicht sagte war, ist dass meine Knien so sehr schlottern werden, dass ich mich gar nicht mehr auf das zu Sagende konzentrieren werde können. Ich lernte das an dieser Stelle.

Als wir Nichtständigen uns alle vorgestellt hatten, bat man uns aus dem Saal. Die Delegierten wollten frei reden können. Und wie ich später hörte, ging es nur darum, meine Kandidatur zu diskutieren. Schliesslich bat man uns wieder herein und man forderte mich auf über mich und meine politischen Pläne zu reden. Man bot mir an, es in meiner Muttersprache Englisch zu tun. Doch ich war jetzt so sehr aufgebracht, sah Haie vor meinem geistigen Auge und mittendrin meinen Sohn, so dass ich auch auf Deutsch und deutlich erklären konnte, was mich bewegt und bewegte und für was ich mich einsetzen will.

Das kam offenbar gut an, denn ich wurde mehrheitlich in Globo mit den anderen drei Kandidierenden auf das SP-Schild gehoben.
Für dieses Vertrauen möchte ich allen herzlich danken, und ich werde alles in meinen Kräften Stehende tun, dieses Vertrauen zu rechtfertigen.
An all jene - es waren nicht wenige Frauen darunter - die mich nicht unterstützen wollten, möchte ich die Bitte richten, die Kommunikation nicht abzubrechen und den Dialog aufzunehmen und sich überzeugen zu lassen. Wir kennen uns heute nicht, sind uns fremd und morgen werden wir vertrauter sein. Dafür sich zu überwinden lohnt sich, da bin ich mir sicher.

Mein Anliegen ist die Integration auf allen Stufen unserer Gesellschaft. Bekanntlich ist das immer eine gegenseitige Sache. Wenn wir "Ausländer" zum Beispiel immer nur draussen am Strand gehalten werden und uns nie nass machen müssen, dann werden wir weder die Sprache sprechen wie die"Eingeborenen", noch werden wir uns für die gemeinsame Sache stark machen können.
Es braucht ja dann nicht so gemacht zu werden, dass man unsere Kinder in die Wellen wirft, damit wir schwimmen lernen, nein, wir könnten gemeinsam die Haie vertreiben und alle gemeinsam den Plausch am Wasser haben lassen.

In diesem Sinne freue ich mich auf den bevorstehenden Wahlkampf und unsere gemeinsamen Opponenten!

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