Bevor ich mit meinem heutigen Ehemann in die Schweiz zog, war ich allein erziehende Mutter mit einem Sohn. In Ghana ist das kein besonders anzustrebender sozialer Status, ich hatte ihn nicht gesucht. Doch konnte ich ihm auch nicht ausweichen, verliess mich mein Kindsvater Richtung USA, ohne sich je wieder in erwähnenswerter Weise um seinen Sohn und seine zurückgelassene Freundin zu kümmern.
Wäre meine Familie noch intakt gewesen wie sie das nach alter Tradition eigentlich hätte sein sollen, wäre mein Schicksal immerhin etwas erträglicher gewesen. Doch so musste ich mir meine eigene neue Familie suchen, mir meine Wahlverwandtschaft selber wählen. Es kam gut und ich fand Unterschlupf bei der Grossfamilie meiner damals besten Freundin. Als jüngste Mutter fühlte ich mich zuständig für alle noch schulpflichtigen Kinder der Familie. So erzog ich wie aus heiterem Himmel plötzlich nicht nur ein, sondern drei, vier Kinder gleichzeitig. Durch unsere meist von Frauen getragenen Arbeitsteilung überlebte ich diese Zeit der ersten Jahre meines Erstgeborenen mehr oder weniger in Würde, aber mit ungewisser Zukunft.
Da kam es mir gerade recht als mich mein Bruder in die Schweiz auf einen dreimonatigen Aufenthalt einlud, wohin dieser mit seiner Schweizer Frau gezogen ist, nachdem er einen schweren Motorradunfall mit bleibenden Folgen überlebte. Derart versehrt konnte er seinen gefahrvollen Auftrag als Personenschützer nicht mehr ausführen und musste Ghana aus Sicherheitsgründen verlassen.
In der Schweiz lernte ich einen Freund der Familie meines Bruders kennen. Was in der Schweiz seinen Lauf nahm, entwickelte sich über die Distanz einiger tausend Kilometer und über den Zeitraum eines halben Jahres. Die Telefonkosten waren immens, Internet gab es damals in Ghana noch nicht. So besuchte mich mein heutiger Ehemann in Ghana, und wir hatten kaum einen Zweifel, dass wir zusammengehörten und heirateten. Ein Jahr später zog ich mit meinem Sohn Samuel nach Grenchen, wo uns mein Ehemann ein wunderbares Nest bereit hielt. Doch wir sollten in dieser Stadt keine Wurzeln schlagen. Zwar kam unser Sohn Jonas hier zur Welt, doch wir zogen es vor nach Leubringen zu ziehen, wo wir uns ein Haus bauen und Samuel einschulen wollten.
Weil uns eine Grossbank kurz vor Vertragsunterzeichnung mit einem höheren Angebot beim Landverkäufer ausstach - die Pläne waren schon gezeichnet - fiel das Projekt ins Wasser und wir mussten in der wohl schlimmsten Wohnung im ganzen Dorf ausharren. Die Lage spitzte sich dann noch zu, weil unser dritter und ältester Sohn Edward zu uns zog. Zwei Jahre mussten wir warten bis wir endlich eine anständige Bleibe hoch über Biel gefunden hatten.
Edward und Samuel wuchsen in Accra zusammen in unserer Frauen-Wohngemeinschaft auf. Da Samuel immer wieder fragte, wo sein "Bruder" Edward denn sei, was er denn mache und warum er nicht bei uns sein könne, beschlossen wir, Edward zu adoptieren und ihn zu uns zu holen. So kam es zu unserer Patchwork-Familie, "The coloured family Bucher", wie wir uns gerne scherzhaft nennen.
Dienstag, 5. Februar 2008
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