Stehe ich am Strand und sehe wenige Meter vor mir Haifischflossen aus dem Wasser ragen und Kreise ziehen, werde ich meine Füsse auf keinen Fall nass machen. Spielt aber mein Sohn in den aufschäumenden Wellen, werde ich einen Schwimmkurs in wenigen Sekunden schaffen, wofür ich sonst Jahre gebraucht hätte.
Ich erinnere mich an das erste auf Deutsch geführte Interview mit der bewundernswerten und an Meriten reichen Micheline Calmy-Ray. Ich verstand kein einziges Wort und zweifelte wieder einmal an meinen eigenen Deutschkenntnissen. Doch mein Ehemann beruhigte mich und meinte, dass offenbar die ihren eher dürftig seien.
Heute ist es nicht nur sympathisch ihr zuzuhören und zu verstehen was sie zu sagen hat, ich folge ihr jederzeit. Wir haben in der Zwischenzeit beide Fortschritte gemacht.
Als wir das erste Mal Alt-Bundesrat Christoph Blocher französisch sprechen hörten, haben wir uns krumm gelacht. Sein "liebi Froue u Manne" funktionierte plötzlich nicht mehr. Seine Fortschritte verfolgten wir nicht weiter, ihn wollten wir gar nicht verstehen, sein deutsch und deutlich war uns absolut genug.
Wenn man jemanden nicht anhören will, kann man sagen, seine Sprachekenntnisse seien ungenügend - oder wie es Mike Sommer im Bieler Tagblatt schrieb: "verbesserungswürdig". Man kann sich trotzdem um Verständigung bemühen oder die Kommunikation vorerst einschränken oder sogar abbrechen.
Ich habe am Mittwochabend an der Nominierungsversammlung der SP Gesamtpartei Biel ein Wechselbad an Kommunikation erlebt. Mehrheitlich habe ich mich gut aufgenommen gefühlt und viele Sympathiekundgebungen auch von Menschen erhalten, die ich an diesem Abend das erste Mal gesehen habe.
An dieser Stelle danke ich ganz besonders Teres Liechti Gertsch, die eine ganz besondere Frau ist. Ich danke auch Barbara Tanner, die an diesem Abend auch Premieren-Stress hatte und und mich trotzdem fühlen liess, dass wir an einem gemeinsamen Strick ziehen. Und ich danke auch Otto Arnold und Alain Sermet, die sich beide speziell für mich eingesetzt haben.
Meine Kandidatur gab zu diskutieren. Kein Wunder, denn ich hatte ein Blackout der besonderen Art. Zwar war ich vorbereitet auf alle möglichen Wendungen, die an so einer Nominierungsversammlung auftreten können. Doch als ich da vorne am Tisch den Delegierten gegenüber sass und die freundlichen Gesichter studierte, fielen mir auch solche auf, die wenig Gutes verhiessen. Plötzlich wurde mir bewusst, was man uns an der BFF (Berufs- Fach und Fortbildungsschule Bern) in Sachen nonverbaler Kommunikation beibringen wollte.
Heute erlebte ich es praktisch und ungeschminkt. Ich musste mit ganzen Gefühls-Tsunamis fertig werden die mir da unvermittelt entgegen brandeten. Das war mir in dieser Heftigkeit eine völlig neue Erfahrung, die ich mitnehme und an der ich zu arbeiten habe. Ich lernte, dass nicht gesprochene Sprache brutaler ankommen kann, als laute, bös gemeinte Worte, die auch lächerlich wirken können.
Mir verging das Lachen und vermutlich auch das Lächeln. Dann musste ich aufstehen, mich zeigen und mich vorstellen, mich "verkaufen", wie das mein Ehemann so unschön nannte. Was er mir nicht sagte war, ist dass meine Knien so sehr schlottern werden, dass ich mich gar nicht mehr auf das zu Sagende konzentrieren werde können. Ich lernte das an dieser Stelle.
Als wir Nichtständigen uns alle vorgestellt hatten, bat man uns aus dem Saal. Die Delegierten wollten frei reden können. Und wie ich später hörte, ging es nur darum, meine Kandidatur zu diskutieren. Schliesslich bat man uns wieder herein und man forderte mich auf über mich und meine politischen Pläne zu reden. Man bot mir an, es in meiner Muttersprache Englisch zu tun. Doch ich war jetzt so sehr aufgebracht, sah Haie vor meinem geistigen Auge und mittendrin meinen Sohn, so dass ich auch auf Deutsch und deutlich erklären konnte, was mich bewegt und bewegte und für was ich mich einsetzen will.
Das kam offenbar gut an, denn ich wurde mehrheitlich in Globo mit den anderen drei Kandidierenden auf das SP-Schild gehoben.
Für dieses Vertrauen möchte ich allen herzlich danken, und ich werde alles in meinen Kräften Stehende tun, dieses Vertrauen zu rechtfertigen.
An all jene - es waren nicht wenige Frauen darunter - die mich nicht unterstützen wollten, möchte ich die Bitte richten, die Kommunikation nicht abzubrechen und den Dialog aufzunehmen und sich überzeugen zu lassen. Wir kennen uns heute nicht, sind uns fremd und morgen werden wir vertrauter sein. Dafür sich zu überwinden lohnt sich, da bin ich mir sicher.
Mein Anliegen ist die Integration auf allen Stufen unserer Gesellschaft. Bekanntlich ist das immer eine gegenseitige Sache. Wenn wir "Ausländer" zum Beispiel immer nur draussen am Strand gehalten werden und uns nie nass machen müssen, dann werden wir weder die Sprache sprechen wie die"Eingeborenen", noch werden wir uns für die gemeinsame Sache stark machen können.
Es braucht ja dann nicht so gemacht zu werden, dass man unsere Kinder in die Wellen wirft, damit wir schwimmen lernen, nein, wir könnten gemeinsam die Haie vertreiben und alle gemeinsam den Plausch am Wasser haben lassen.
In diesem Sinne freue ich mich auf den bevorstehenden Wahlkampf und unsere gemeinsamen Opponenten!
Freitag, 29. Februar 2008
Mittwoch, 27. Februar 2008
Teres Liechti Gertsch
Hallo liebe Teres!
Es freut mich sehr, dass du dich auch entschieden hast einen eigenen Blog zu führen. Ich hoffe, dass sich die anderen Kandidatinnen und Kandidaten auch dazu gesellen und wir unsere Präsenz auch in der virtuellen Welt verstärken können. Das hilft uns sicher auch in der ganz realen Welt.
Im täglichen Leben kommen wir ja leider nur noch wenig dazu uns mit grundsätzlichen und tiefschürfenden Gedanken auszutauschen. Ich vermute, dass es mit diesem Instrument hier möglich wird einander, und damit auch unseren Wählerinnen und Wählern, zusätzliche Informationen zukommen zu lassen, mit denen wir uns in ruhigen Zeiten persönlich auseinander setzen können. Es würde mich nicht wundern, aber nicht minder freuen, wenn sich damit die Qualität der Begegnungen positiv gestalten liesse und dies im Wahlkampf zu entsprechenden Resultate führen würde.
Bis heute Abend, ganz herzlich
Juliet
Es freut mich sehr, dass du dich auch entschieden hast einen eigenen Blog zu führen. Ich hoffe, dass sich die anderen Kandidatinnen und Kandidaten auch dazu gesellen und wir unsere Präsenz auch in der virtuellen Welt verstärken können. Das hilft uns sicher auch in der ganz realen Welt.
Im täglichen Leben kommen wir ja leider nur noch wenig dazu uns mit grundsätzlichen und tiefschürfenden Gedanken auszutauschen. Ich vermute, dass es mit diesem Instrument hier möglich wird einander, und damit auch unseren Wählerinnen und Wählern, zusätzliche Informationen zukommen zu lassen, mit denen wir uns in ruhigen Zeiten persönlich auseinander setzen können. Es würde mich nicht wundern, aber nicht minder freuen, wenn sich damit die Qualität der Begegnungen positiv gestalten liesse und dies im Wahlkampf zu entsprechenden Resultate führen würde.
Bis heute Abend, ganz herzlich
Juliet
Freitag, 22. Februar 2008
Erstkontakt mit meinen Mitkandidatinnen
Gestern Abend besuchte ich zum zweiten Mal eine Stadtratssitzung. Diesmal war ich mit meinen vier Mitkandidatinnen für den ständigen und nicht ständigen Gemeinderat auf der SP-Liste verabredet.
Wir wollten uns persönlich kennen lernen. In der Sitzungspause gingen wir gemeinsam zum Abendessen und unterhielten uns prächtig. Wir freuen uns auf eine intensive gemeinsame Zeit für die gemeinsame Sache.
Die SP Biel ist in drei Sektionen organisiert, die sich zusammen in der Gesamtpartei der Stadt Biel koordinieren und sich bei Wahlen und wichtigen Abstimmungen gemeinsam organisieren.
Zwei andere Kandidatinnen sind Mitglied bei der "parti socialiste romand" und die dritte Kandidatin stammt von der Sektion Biel Stadt/Ost. Ich gehöre der Sektion SP Biel-Madretsch an.
Gemeinsam wollen wir einen geschlossenen SP Wahlkampf führen und dafür sorgen, dass die SP gesamthaft gestärkt aus den Wahlen 2008 hervor geht.
Wir wollten uns persönlich kennen lernen. In der Sitzungspause gingen wir gemeinsam zum Abendessen und unterhielten uns prächtig. Wir freuen uns auf eine intensive gemeinsame Zeit für die gemeinsame Sache.
Die SP Biel ist in drei Sektionen organisiert, die sich zusammen in der Gesamtpartei der Stadt Biel koordinieren und sich bei Wahlen und wichtigen Abstimmungen gemeinsam organisieren.
Zwei andere Kandidatinnen sind Mitglied bei der "parti socialiste romand" und die dritte Kandidatin stammt von der Sektion Biel Stadt/Ost. Ich gehöre der Sektion SP Biel-Madretsch an.
Gemeinsam wollen wir einen geschlossenen SP Wahlkampf führen und dafür sorgen, dass die SP gesamthaft gestärkt aus den Wahlen 2008 hervor geht.
Donnerstag, 21. Februar 2008
Mein politisches Credo für das Wohnen in Biel
Wer schon die Gelegenheit hatte in einem Entwicklungsland ein Slum zu besuchen, weiss, dass Biel damit nichts gemein hat. Ich habe Accra explodieren sehen von einer Millionenstadt in eine 10 Millionenstadt und das in weniger als in 10 Jahren. Ein Produkt der Weltbank und des Währungsfonds. Es bahnen sich Katastrophen an, die bereits heute Teil des Lebens in Accra sind. Unvorstellbare chaotische Verkehrskollapse, eine unbeschreibliche Smogsituation, Kriminalität und Krankheiten, es ist fast nicht zum Aushalten. Biel ist damit nicht in Verbindung zu bringen, in keiner Art und Weise.
Und trotzdem. Ich empfinde den Grad der Entsozialisierung und die damit einhergehende schwindende Solidarität in dieser Stadt für bedenklich. Die Menschen, die ich tagtäglich betreue scheinen sich mehr in ihr Schiksal zu ergeben als Freude daran zu haben wie wir sie umpflegen. Ich halte die Isolation der Generationen für einen Fehler, der sich mit der vergreisenden Schweizer Bevökerung verstärken wird.
Ich schlage vor, dass die Stadt nicht bloss Überbauungen zulässt wie sie im Gebiet Gaskessel derzeit hochgezogen werden, sondern dass man an Quartieren baut, die für sich in sich wie kleine Dörfer funktionieren, wo verdichtet gebaut wird und zwar Wohnungen für Familien mit Kindern und Senioren unter 1000 Franken, so dass das Generationenwohnen wieder Mode werden kann. Die Kinder brauchen ihre Grossmütter und Grossväter und die Grosseltern ihre Kinder und Kindeskinder. Leben und Sterben sollte zusammen gehören, genauso wie Krach und Frieden.
Die Schweiz ist nicht mehr das was sie war als geplant und gebaut wurde was wir heute sehen. Die Schweiz muss sich auf die Zukunft ausrichten und die sieht ganz anders aus als was war. Vielleicht beginnt die Zukunft mit anderen Wohnformen und vielleicht beginnt sie mit weniger Ausgrenzung und Flucht. Vielleicht müssen wir wieder mehr Burgen bauen, damit das Heim ein Schloss wird. Vielleicht sollten die Häuser so angeordnet werden wie das in Ghana auf dem Land mit den Lehmhäusern getan wird. Dort macht man es um Schatten zu gewinnen und damit die Kühle zu bewahren. Hier sollte man es machen, um die Kälte draussen zu halten und die Wärme drinnen.
Werde ich gewählt für ein Amt in der Stadt, so will ich bei Bauvorhaben auf solche Kriterien achten und darauf hinweisen, dass man etwas mehr an eine andere Zukunft denken sollte.
Und trotzdem. Ich empfinde den Grad der Entsozialisierung und die damit einhergehende schwindende Solidarität in dieser Stadt für bedenklich. Die Menschen, die ich tagtäglich betreue scheinen sich mehr in ihr Schiksal zu ergeben als Freude daran zu haben wie wir sie umpflegen. Ich halte die Isolation der Generationen für einen Fehler, der sich mit der vergreisenden Schweizer Bevökerung verstärken wird.
Ich schlage vor, dass die Stadt nicht bloss Überbauungen zulässt wie sie im Gebiet Gaskessel derzeit hochgezogen werden, sondern dass man an Quartieren baut, die für sich in sich wie kleine Dörfer funktionieren, wo verdichtet gebaut wird und zwar Wohnungen für Familien mit Kindern und Senioren unter 1000 Franken, so dass das Generationenwohnen wieder Mode werden kann. Die Kinder brauchen ihre Grossmütter und Grossväter und die Grosseltern ihre Kinder und Kindeskinder. Leben und Sterben sollte zusammen gehören, genauso wie Krach und Frieden.
Die Schweiz ist nicht mehr das was sie war als geplant und gebaut wurde was wir heute sehen. Die Schweiz muss sich auf die Zukunft ausrichten und die sieht ganz anders aus als was war. Vielleicht beginnt die Zukunft mit anderen Wohnformen und vielleicht beginnt sie mit weniger Ausgrenzung und Flucht. Vielleicht müssen wir wieder mehr Burgen bauen, damit das Heim ein Schloss wird. Vielleicht sollten die Häuser so angeordnet werden wie das in Ghana auf dem Land mit den Lehmhäusern getan wird. Dort macht man es um Schatten zu gewinnen und damit die Kühle zu bewahren. Hier sollte man es machen, um die Kälte draussen zu halten und die Wärme drinnen.
Werde ich gewählt für ein Amt in der Stadt, so will ich bei Bauvorhaben auf solche Kriterien achten und darauf hinweisen, dass man etwas mehr an eine andere Zukunft denken sollte.
Mein politisches Credo für die Schule in Biel
Ich betrachte meine 12 Jahre in der Schweiz als meine persönlichen politischen Lehrjahre. Mein politisches Bewusstsein lehrten mich meine Eltern und mein eigenes Leben, das zu oft ein aussichtsloser Existenzkampf war. Dass ich dann meinen Ehemann kennen lernte, der ein Schweizer ist und auch so etwas wie ein "animal politique", muss in einem mir nicht durchschaubaren Zusammenhang bestehen. Dank ihm jedenfalls konnte ich die Schweizerische Politikmechanik rasch begreifen und ich werde sie eines Tages auch durchschauen.
In diesen 12 Jahren habe ich auch meine Söhne aufwachsen sehen, und ich habe dabei viel Unbegreifliches erlebt. Ich muss gestehen, dass ich nicht begeistert bin darüber wie die Kinder hier auf ihr Leben vorbereitet werden. Es ist mir bewusst, dass mein eigenes Erleben der Schule in der britischen Pädagogik wurzelt, die viel auf unbedingte Disziplin Wert legt. So jedenfalls war es damals bei uns, wo die Disziplin oft, zu oft mit einem messerscharfen Bambusstab durchgesetzt wurde. Dafür habe ich gar nichts übrig.
Der Unterschied des Ergebnisses muss in den unterschiedlichen Systemen liegen, denn angelsächsische Systeme sind geprägt von Privatschulen. In Ghana käme es der Mittelschicht nicht in den Sinn, ihre Kinder an die öffentlichen Schulen zu schicken. Denn deren Lehrer sind so schlecht bezahlt, dass sie noch einen Zweit- oder Drittjob erledigen müssen und das meistens alles gleichzeitig. Privatschulen aber behandeln ihre Kindseltern wie ihre Kunden. Stimmen die Leistungen des Zöglings nicht mit den Vorstellungen der Eltern überein, hat das womöglich unmittelbare pekuniäre Folgen für die Schule. Dabei kann es aber auch sein, dass die Schule den Eltern unmissverständlich zu verstehen gibt, dass es ohne Nachhilfe nicht gehen wird. Also gibt es Nachhilfe.
Ich komme nun nicht daher und meine, man müsste das hier in der Schweiz auch so machen.
Aber ich sage, dass etwas nicht stimmt hier in Biel, wenn nach neun Jahren Schule von 22 Schülern nur sieben eine Lehrstelle finden und der Rest sich auf den Gassen der Stadt Biel lümmelt. Hier läuft kräftig etwas schief und ich meine, man müsste ernsthafter als es getan wird über die Ursachen reden und die Dinge ändern.
Ich habe viele Kolleginnen und Kollegen meiner Söhne kennen gelernt, auch solche, die kaum mehr Hoffungen auf eine anständige Zukunft haben. Wir PolitikerInnen müssen uns dem annehmen und ich will mich diesen Fragen stellen und zu Lösungen beitragen.
Ich glaube, dass die Schule sich darauf einstellen muss, dass die Schweizer Wirtschaft die Verantwortung für die Meisterlehre nicht mehr wahrnehmen will. Dass bedeutet aus meine Sicht zwei Dinge: entweder werden wieder vermehrt öffenliche Lehrwerkstätten eingeführt, wo Grundberufe angeboten werden, die nicht nur in der Schweiz, sondern auch etwa in Afrika ausgeübt und in diesen Ländern weiter gegeben werden können. Oder man sorgt dafür, dass unsere Kinder die Schule erst dann verlassen, wenn man ihnen beigebracht hat, wie man sich in einer Welt der prekären Arbeit und Arbeitsverhältnissen bewegen kann. Dass dabei die Frage der interkulturellen Integration eine Rolle spielt, scheint mir selbstverständlich.
Ich halte es für Biel für machbar, Geld nicht nur in teure Prestigebauten zu investieren, sondern auch ein Schulexperiment zu wagen, das den Jugendlichen Perspektiven verleiht und über die Stadtgrenzen hinaus beispielhaft wird.
In diesen 12 Jahren habe ich auch meine Söhne aufwachsen sehen, und ich habe dabei viel Unbegreifliches erlebt. Ich muss gestehen, dass ich nicht begeistert bin darüber wie die Kinder hier auf ihr Leben vorbereitet werden. Es ist mir bewusst, dass mein eigenes Erleben der Schule in der britischen Pädagogik wurzelt, die viel auf unbedingte Disziplin Wert legt. So jedenfalls war es damals bei uns, wo die Disziplin oft, zu oft mit einem messerscharfen Bambusstab durchgesetzt wurde. Dafür habe ich gar nichts übrig.
Der Unterschied des Ergebnisses muss in den unterschiedlichen Systemen liegen, denn angelsächsische Systeme sind geprägt von Privatschulen. In Ghana käme es der Mittelschicht nicht in den Sinn, ihre Kinder an die öffentlichen Schulen zu schicken. Denn deren Lehrer sind so schlecht bezahlt, dass sie noch einen Zweit- oder Drittjob erledigen müssen und das meistens alles gleichzeitig. Privatschulen aber behandeln ihre Kindseltern wie ihre Kunden. Stimmen die Leistungen des Zöglings nicht mit den Vorstellungen der Eltern überein, hat das womöglich unmittelbare pekuniäre Folgen für die Schule. Dabei kann es aber auch sein, dass die Schule den Eltern unmissverständlich zu verstehen gibt, dass es ohne Nachhilfe nicht gehen wird. Also gibt es Nachhilfe.
Ich komme nun nicht daher und meine, man müsste das hier in der Schweiz auch so machen.
Aber ich sage, dass etwas nicht stimmt hier in Biel, wenn nach neun Jahren Schule von 22 Schülern nur sieben eine Lehrstelle finden und der Rest sich auf den Gassen der Stadt Biel lümmelt. Hier läuft kräftig etwas schief und ich meine, man müsste ernsthafter als es getan wird über die Ursachen reden und die Dinge ändern.
Ich habe viele Kolleginnen und Kollegen meiner Söhne kennen gelernt, auch solche, die kaum mehr Hoffungen auf eine anständige Zukunft haben. Wir PolitikerInnen müssen uns dem annehmen und ich will mich diesen Fragen stellen und zu Lösungen beitragen.
Ich glaube, dass die Schule sich darauf einstellen muss, dass die Schweizer Wirtschaft die Verantwortung für die Meisterlehre nicht mehr wahrnehmen will. Dass bedeutet aus meine Sicht zwei Dinge: entweder werden wieder vermehrt öffenliche Lehrwerkstätten eingeführt, wo Grundberufe angeboten werden, die nicht nur in der Schweiz, sondern auch etwa in Afrika ausgeübt und in diesen Ländern weiter gegeben werden können. Oder man sorgt dafür, dass unsere Kinder die Schule erst dann verlassen, wenn man ihnen beigebracht hat, wie man sich in einer Welt der prekären Arbeit und Arbeitsverhältnissen bewegen kann. Dass dabei die Frage der interkulturellen Integration eine Rolle spielt, scheint mir selbstverständlich.
Ich halte es für Biel für machbar, Geld nicht nur in teure Prestigebauten zu investieren, sondern auch ein Schulexperiment zu wagen, das den Jugendlichen Perspektiven verleiht und über die Stadtgrenzen hinaus beispielhaft wird.
Montag, 18. Februar 2008
Mein Weg zur Integration in der Schweiz
Nachdem ich mit meinem Ehemann eine intensive Diskussion darüber führte, mit welchen Schwierigkeiten wir zu rechnen haben, wenn wir uns in der Schweiz niederlassen wollen, begann ich bereits in Ghana mit dem ersten Schritt zu der späteren Integration in die Schweizer Gesellschaft.
Ich belegte am deutschen Goethe-Institut in Accra Deutschkurse. Sicher half mir der Einstieg in diese für mich damals völlig unbekannten Sprache auch die Tatsache, dass wir Ghanaer, die wir die Möglichkeit hatten, überhaupt zur Schule zu gehen, viel sprachig sind. Als Ewe spreche ich natürlich auch Ewe. Da ich hauptsächlich in Ghanas Hauptstadt Accra gelebt habe, rede ich auch Ga. Da ich meine Boarding School in Cape Goast absolvierte, der berümt-berüchtigten Sklavenhafenstadt, die in Fanti-Land liegt, spreche ich auch Fanti. Übrigens Kofi Annan, der erste schwarze und jetzt ehemalige UNO-Generalsekretär ist ein Fanti.
Da der grösste Stamm in der Landesmitte das Leben in ganz Ghana prägt, spreche ich auch Twi, die Sprache der matriarchalischen Ashantis, die geschichtlich als Kriegsvolk gelten.
(Um sich etwas einzulassen auf unsere Philosophien in Ghana, empfehle ich Ihnen dem Link zu folgen. Sie finden dort etwa solche Textstellen:
Nach der Vorstellung der Ashanti ist substantielle Repräsentation ein menschliches Grundrecht. Jeder Mensch hat das Recht, nicht nur im Rat repräsentiert zu werden, sondern auch im Prozess des Beratschlagens selbst in Bezug auf jede Sache, die für seine Interessen oder die seiner Gruppe relevant ist. Aus diesem Grund ist das Konsensprinzip so wichtig.
Ist die Philosophie so fern von der Schweiz? Mein Mann meint, nach 1968 sei das auch hier Doktrin gewesen, doch heute gelte das nicht mehr. Wäre doch wirklich schade, wenn dem so wär in der ältesten Demokratie der Welt?!)
Da in Ghana etwa 37 Sprachen gesprochen werden, wurde Englisch als die offizielle Landessprache bestimmt, um so die Einheit des Landes aufzubauen. Das hatte natürlich mit der letzten Kollonialmacht in Ghana zu tun. Grossbritannien entliess Ghana als erstes Land Afrikas 1957 in die Unabhängigkeit. Zurückgeblieben ist damit auch etwas von der englischen Lebensart, die sich ganz besonders mein Vater in seiner Ausbildung in London auch angeeignet hatte.
Dass ich Juliet und mein Bruder Romeo heisst, hat hingegen etwas mit den Vorlieben meiner Mutter für Shakespeare zu tun, den sie genauso gut zitieren kann wie aus der Bibel.
Meine religiöse Erziehung genoss ich vor allem an einem katholischen Internat.
Weil meine von mir heiss vereehrte Grossmutter eigentlich eine Togolesin war und daher französisch sprach wie viele meiner Cousinen und Cousins auch, habe ich auch früh französisch sprechen gelernt. Und von meiner Grossmutter lernte ich die französische Küche kennen. So lernte ich bei ihr Salat zu essen, was in Ghana niemand tut, jedenfalls nicht zu dieser Zeit damals.
Mit diesem Rucksack voller europäischer Kultur kam ich also in die Schweiz, die mir doch so fremd war wie ich es mir nach meinem ersten Besuch nicht hätte vorstellen können. Trotz meinen sprachlichen Vorbreitungen verstand ich kein Wort, wenn die Leute miteinander redeten. Ich war froh, immerhin den Busfahrplan lesen zu können und die Namen der Stationen. So konnte ich mich rasch selbstständig bewegen und musste nicht immer meinen Mann um Transporte angehen.
Aber wie erkläre ich einer Schweizerin oder einem Schweizer wie fremd mir die Lebensart hier damals vorkam? Ich erinnere mich gut an mein Schwangerschaftsturnen vor etwas mehr als 10 Jahren als Jonas, unser Jüngster, heran wuchs.
Als mein Ehemann mir das erste Mal davon erzählte, dass es so etwas gibt, dachte ich zuerst, er mache Witze. Bei uns helfen sich die Frauen unter sich bei der Vorbereitung der Geburt. Alles was zu tun ist war von Alters her bei uns Sache der Frau und wird nicht an eine Institution delegiert, deren Leistung für Geburtsvorbereitung auch noch bezahlt werden muss.
Die Männer in Ghana interessieren sich in der Regel nicht für diese Frauensachen. Da bei uns die Familien, besonders die Frauen, immer in Grossfamilien leben, sind da auch alle Generationen vertreten. Selbstverständlich auch die Grossmütter. So wird das Wissen um die Betreuung von Schwangeren, Gebährenden und Geborenen weiter gegeben.
Dass man dafür mit dem Mann in einen von einer Frau geführten Kurs geht, wo man sich nicht kennt, war für mich schon etwas merkwürdig. Unter Fremden, die sich nicht nahe kommen in dieser Zeit dann so intime Dinge anzusprechen und noch intimere Bewegungsabläufe zu lernen, kam mir irgendwie entmenschlicht vor, auch wenn es darum ging, Jonas vor Komplikationen bei seiner Geburt zu ersparen.
Weil wir in Grenchen nicht wirklich heimisch werden konnten, in Sachen Integrationsmassnahmen ist diese Nachbarstadt Biels tiefste Provinz - und das Schwangerschaftsturnen schien eine Art Symbol dafür geworden zu sein -beschlossen wir bald nach Biel zu ziehen, wo damals mein Mann auch seinen Arbeitsplatz hatte.
In Biel besuchte ich sofort wieder Sprachkurse und konnte sehr rasch die Zeitungen lesen. Und bald stand ich meinem Ehemann in nichts nach und wir führten endlose politische Debatten. Manchmal hatte ich schon Mitleid mit ihm, weil er den Kopf für all die unsäglichen Vorgänge rund um Blocher und seine SVP hinhalten musste, er als Schweizer. Ich hatte damals ja noch keinen Zugang zu den "Andersdenkenden" in diesem Land. Aber das wollte und will ich rasch ändern!
Da ich als Schülerin und Studentin immer davon geträumt habe, eines Tages Ärztin zu werden, begann ich sobald ich die Sprache einigermassen beherrschte, beim Roten Kreuz Kurse zu besuchen. Wenn ich denn schon keine Chance hatte, ein Medizinstudium zu beginnen, so wollte ich halt als Pflegerin ins Gesundheitswesen einsteigen. So konnte ich bald mein Versprechen wahrmachen, dass ich mir gegeben hatte, als klar war, dass ich in der Schweiz eine Familie gründen würde, nämlich anderen zu helfen, die vielleicht nicht so viel Glück hatten wie ich.
Bald begann ich als Pflegehelferin bei einer privaten Stiftung für Seniorenpflege mit der Arbeit. Das war für mich dann eine sehr deprimierende und teilweise auch schockierende Erfahrung wie man in diesem reichen Land mit den alten Menschen umgeht und wie man sie sterben lässt. Auch in diesem Zusammenhang kommt mir das Wort "entmenschlicht" in den Sinn. In Ghana gibt es keine AHV für alle, deshalb kann man die Senioren auch nicht einfach abschieben. Aber ich denke, dass wir das auch mit AHV nicht tun würden, denn wir respektieren das Alter und unsere Vorfahren.
Ich fühlte mich dann an diesem Arbeitsplatz ausgenutzt und blossgestellt. Die Leitung behandelte uns Pflegerinnen als gehörten wir einer niedrigeren Kaste an. Die Leiterin selbst war in unzählige Mobbinggeschichten verwickelt und sorgte für eine Misstrauensstimmung unter den Angestellten, von so etwas hatte ich vorher noch nie gehört.
Als die Lage völlig hoffungslos wurde, die Leiterin meinem Mann und mich aus ihrem Büro warf, als wir um eine Aussprache nachsuchten, wandte ich mich an die Stiftungsleitung und bat um eine Schlichtung. Doch der Herr Professor und Stiftungspräsident wies mich ab mit dem giftigen Hinweis, dass man sich nicht gewohnt sei sich auf Pflegerinnenstufe zu begeben.
Damit gab es für mich keine Zweifel mehr: die Schweiz kennt auch Herrenmenschen, die sich als etwas Besseres vorkommen als alle anderen. Das kenne ich aus Ghana gut, wo es noch reiche und Gold verzierte Könige gibt, mit Dutzenden von Frauen und Untertanen die das zahlreiche Vieh hüten und auch sonst den kopf hinhalten müssen.
Dass es bei diesem Altersheim offenbar nicht in erster Linie darum ging den HeimbewohnerInnen ein Leben in Würde zu gönnen und ein Pflegepersonal zu halten, dass diesd Tag für Tag garantierte, sondern dass es da ganz andere Motive gibt, lag plötzlich glasklar auf der Hand. Ich orientierte mich um.
Dabei konnte ich mich auf die Dienste von EFFE in Biel verlassen.
Nachdem man mir das Selbstbewusstsein geraubt hatte, lernte ich mit Hilfe der EFFE- Unterstützung, dass ich eben doch mehr Möglichkeiten mitbringe und über ein grösseres Potential verfüge als man mir bei meinem ersten Arbeitsplatz glauben machte. Ich rüstete innerlich auf, bekam von meiner Familie die nötige Unterstützung und brach auf eine neue Reise auf.
Seit fünf Jahren nun bin ich bei einem städtischen Alters- und Pflegeheim in Biel angestellt. Ich absolvierte in dieser Zeit verschiedene Kurse in meinem Berufsfeld und darüber hinaus.
So habe ich mich etwa auf die Pflege von Füssen konzentriert, ein Körperteil, dass in der hochzivilisierten Schweiz sträflich vernachlässigt wird. Man sperrt die Füsse ein Leben lang in viel zu enge Schuhe ein und gönnt ihnen kaum Luft. Nun kann es schon mal vorkommen, dass ich mehr zu den Füssen als zum Kopf einer meiner Pflegeanvertrauten spreche.
Das darf man durchaus auch als politischen Fingerzeig verstehen: statt jemandem auf die eingesperrten Hühneraugen zu treten, sollte man dessen Füsse waschen, dessen Hornhaut schleifen, die Nägel kürzen und den neugeborenen Fuss mit duftender Salbe einreiben.
Täten wir uns das regelmässig an, unsere Welt stünde Kopf!
Seit eineinhalb Jahren habe ich nun sogar die Möglichkeit die Lehre als Fachangestellte Gesundheit FaGe zu absolvieren. Das ist zwar ziemlich aufwändig, oft auch sehr anstrengend, besonders nach vier Tagen Pflege, dann noch zwei Tage auf der Schulbank zu sitzen. Doch ich halte durch, fühle mich integriert und freue mich an meinen guten Noten.
Da in Ghana etwa 37 Sprachen gesprochen werden, wurde Englisch als die offizielle Landessprache bestimmt, um so die Einheit des Landes aufzubauen. Das hatte natürlich mit der letzten Kollonialmacht in Ghana zu tun. Grossbritannien entliess Ghana als erstes Land Afrikas 1957 in die Unabhängigkeit. Zurückgeblieben ist damit auch etwas von der englischen Lebensart, die sich ganz besonders mein Vater in seiner Ausbildung in London auch angeeignet hatte.
Dass ich Juliet und mein Bruder Romeo heisst, hat hingegen etwas mit den Vorlieben meiner Mutter für Shakespeare zu tun, den sie genauso gut zitieren kann wie aus der Bibel.
Meine religiöse Erziehung genoss ich vor allem an einem katholischen Internat.
Weil meine von mir heiss vereehrte Grossmutter eigentlich eine Togolesin war und daher französisch sprach wie viele meiner Cousinen und Cousins auch, habe ich auch früh französisch sprechen gelernt. Und von meiner Grossmutter lernte ich die französische Küche kennen. So lernte ich bei ihr Salat zu essen, was in Ghana niemand tut, jedenfalls nicht zu dieser Zeit damals.
Mit diesem Rucksack voller europäischer Kultur kam ich also in die Schweiz, die mir doch so fremd war wie ich es mir nach meinem ersten Besuch nicht hätte vorstellen können. Trotz meinen sprachlichen Vorbreitungen verstand ich kein Wort, wenn die Leute miteinander redeten. Ich war froh, immerhin den Busfahrplan lesen zu können und die Namen der Stationen. So konnte ich mich rasch selbstständig bewegen und musste nicht immer meinen Mann um Transporte angehen.
Aber wie erkläre ich einer Schweizerin oder einem Schweizer wie fremd mir die Lebensart hier damals vorkam? Ich erinnere mich gut an mein Schwangerschaftsturnen vor etwas mehr als 10 Jahren als Jonas, unser Jüngster, heran wuchs.
Als mein Ehemann mir das erste Mal davon erzählte, dass es so etwas gibt, dachte ich zuerst, er mache Witze. Bei uns helfen sich die Frauen unter sich bei der Vorbereitung der Geburt. Alles was zu tun ist war von Alters her bei uns Sache der Frau und wird nicht an eine Institution delegiert, deren Leistung für Geburtsvorbereitung auch noch bezahlt werden muss.
Die Männer in Ghana interessieren sich in der Regel nicht für diese Frauensachen. Da bei uns die Familien, besonders die Frauen, immer in Grossfamilien leben, sind da auch alle Generationen vertreten. Selbstverständlich auch die Grossmütter. So wird das Wissen um die Betreuung von Schwangeren, Gebährenden und Geborenen weiter gegeben.
Dass man dafür mit dem Mann in einen von einer Frau geführten Kurs geht, wo man sich nicht kennt, war für mich schon etwas merkwürdig. Unter Fremden, die sich nicht nahe kommen in dieser Zeit dann so intime Dinge anzusprechen und noch intimere Bewegungsabläufe zu lernen, kam mir irgendwie entmenschlicht vor, auch wenn es darum ging, Jonas vor Komplikationen bei seiner Geburt zu ersparen.
Weil wir in Grenchen nicht wirklich heimisch werden konnten, in Sachen Integrationsmassnahmen ist diese Nachbarstadt Biels tiefste Provinz - und das Schwangerschaftsturnen schien eine Art Symbol dafür geworden zu sein -beschlossen wir bald nach Biel zu ziehen, wo damals mein Mann auch seinen Arbeitsplatz hatte.
In Biel besuchte ich sofort wieder Sprachkurse und konnte sehr rasch die Zeitungen lesen. Und bald stand ich meinem Ehemann in nichts nach und wir führten endlose politische Debatten. Manchmal hatte ich schon Mitleid mit ihm, weil er den Kopf für all die unsäglichen Vorgänge rund um Blocher und seine SVP hinhalten musste, er als Schweizer. Ich hatte damals ja noch keinen Zugang zu den "Andersdenkenden" in diesem Land. Aber das wollte und will ich rasch ändern!
Da ich als Schülerin und Studentin immer davon geträumt habe, eines Tages Ärztin zu werden, begann ich sobald ich die Sprache einigermassen beherrschte, beim Roten Kreuz Kurse zu besuchen. Wenn ich denn schon keine Chance hatte, ein Medizinstudium zu beginnen, so wollte ich halt als Pflegerin ins Gesundheitswesen einsteigen. So konnte ich bald mein Versprechen wahrmachen, dass ich mir gegeben hatte, als klar war, dass ich in der Schweiz eine Familie gründen würde, nämlich anderen zu helfen, die vielleicht nicht so viel Glück hatten wie ich.
Bald begann ich als Pflegehelferin bei einer privaten Stiftung für Seniorenpflege mit der Arbeit. Das war für mich dann eine sehr deprimierende und teilweise auch schockierende Erfahrung wie man in diesem reichen Land mit den alten Menschen umgeht und wie man sie sterben lässt. Auch in diesem Zusammenhang kommt mir das Wort "entmenschlicht" in den Sinn. In Ghana gibt es keine AHV für alle, deshalb kann man die Senioren auch nicht einfach abschieben. Aber ich denke, dass wir das auch mit AHV nicht tun würden, denn wir respektieren das Alter und unsere Vorfahren.
Ich fühlte mich dann an diesem Arbeitsplatz ausgenutzt und blossgestellt. Die Leitung behandelte uns Pflegerinnen als gehörten wir einer niedrigeren Kaste an. Die Leiterin selbst war in unzählige Mobbinggeschichten verwickelt und sorgte für eine Misstrauensstimmung unter den Angestellten, von so etwas hatte ich vorher noch nie gehört.
Als die Lage völlig hoffungslos wurde, die Leiterin meinem Mann und mich aus ihrem Büro warf, als wir um eine Aussprache nachsuchten, wandte ich mich an die Stiftungsleitung und bat um eine Schlichtung. Doch der Herr Professor und Stiftungspräsident wies mich ab mit dem giftigen Hinweis, dass man sich nicht gewohnt sei sich auf Pflegerinnenstufe zu begeben.
Damit gab es für mich keine Zweifel mehr: die Schweiz kennt auch Herrenmenschen, die sich als etwas Besseres vorkommen als alle anderen. Das kenne ich aus Ghana gut, wo es noch reiche und Gold verzierte Könige gibt, mit Dutzenden von Frauen und Untertanen die das zahlreiche Vieh hüten und auch sonst den kopf hinhalten müssen.
Dass es bei diesem Altersheim offenbar nicht in erster Linie darum ging den HeimbewohnerInnen ein Leben in Würde zu gönnen und ein Pflegepersonal zu halten, dass diesd Tag für Tag garantierte, sondern dass es da ganz andere Motive gibt, lag plötzlich glasklar auf der Hand. Ich orientierte mich um.
Dabei konnte ich mich auf die Dienste von EFFE in Biel verlassen.
Nachdem man mir das Selbstbewusstsein geraubt hatte, lernte ich mit Hilfe der EFFE- Unterstützung, dass ich eben doch mehr Möglichkeiten mitbringe und über ein grösseres Potential verfüge als man mir bei meinem ersten Arbeitsplatz glauben machte. Ich rüstete innerlich auf, bekam von meiner Familie die nötige Unterstützung und brach auf eine neue Reise auf.
Seit fünf Jahren nun bin ich bei einem städtischen Alters- und Pflegeheim in Biel angestellt. Ich absolvierte in dieser Zeit verschiedene Kurse in meinem Berufsfeld und darüber hinaus.
So habe ich mich etwa auf die Pflege von Füssen konzentriert, ein Körperteil, dass in der hochzivilisierten Schweiz sträflich vernachlässigt wird. Man sperrt die Füsse ein Leben lang in viel zu enge Schuhe ein und gönnt ihnen kaum Luft. Nun kann es schon mal vorkommen, dass ich mehr zu den Füssen als zum Kopf einer meiner Pflegeanvertrauten spreche.
Das darf man durchaus auch als politischen Fingerzeig verstehen: statt jemandem auf die eingesperrten Hühneraugen zu treten, sollte man dessen Füsse waschen, dessen Hornhaut schleifen, die Nägel kürzen und den neugeborenen Fuss mit duftender Salbe einreiben.
Täten wir uns das regelmässig an, unsere Welt stünde Kopf!
Seit eineinhalb Jahren habe ich nun sogar die Möglichkeit die Lehre als Fachangestellte Gesundheit FaGe zu absolvieren. Das ist zwar ziemlich aufwändig, oft auch sehr anstrengend, besonders nach vier Tagen Pflege, dann noch zwei Tage auf der Schulbank zu sitzen. Doch ich halte durch, fühle mich integriert und freue mich an meinen guten Noten.
Dienstag, 5. Februar 2008
Mein Weg in die Schweiz
Bevor ich mit meinem heutigen Ehemann in die Schweiz zog, war ich allein erziehende Mutter mit einem Sohn. In Ghana ist das kein besonders anzustrebender sozialer Status, ich hatte ihn nicht gesucht. Doch konnte ich ihm auch nicht ausweichen, verliess mich mein Kindsvater Richtung USA, ohne sich je wieder in erwähnenswerter Weise um seinen Sohn und seine zurückgelassene Freundin zu kümmern.
Wäre meine Familie noch intakt gewesen wie sie das nach alter Tradition eigentlich hätte sein sollen, wäre mein Schicksal immerhin etwas erträglicher gewesen. Doch so musste ich mir meine eigene neue Familie suchen, mir meine Wahlverwandtschaft selber wählen. Es kam gut und ich fand Unterschlupf bei der Grossfamilie meiner damals besten Freundin. Als jüngste Mutter fühlte ich mich zuständig für alle noch schulpflichtigen Kinder der Familie. So erzog ich wie aus heiterem Himmel plötzlich nicht nur ein, sondern drei, vier Kinder gleichzeitig. Durch unsere meist von Frauen getragenen Arbeitsteilung überlebte ich diese Zeit der ersten Jahre meines Erstgeborenen mehr oder weniger in Würde, aber mit ungewisser Zukunft.
Da kam es mir gerade recht als mich mein Bruder in die Schweiz auf einen dreimonatigen Aufenthalt einlud, wohin dieser mit seiner Schweizer Frau gezogen ist, nachdem er einen schweren Motorradunfall mit bleibenden Folgen überlebte. Derart versehrt konnte er seinen gefahrvollen Auftrag als Personenschützer nicht mehr ausführen und musste Ghana aus Sicherheitsgründen verlassen.
In der Schweiz lernte ich einen Freund der Familie meines Bruders kennen. Was in der Schweiz seinen Lauf nahm, entwickelte sich über die Distanz einiger tausend Kilometer und über den Zeitraum eines halben Jahres. Die Telefonkosten waren immens, Internet gab es damals in Ghana noch nicht. So besuchte mich mein heutiger Ehemann in Ghana, und wir hatten kaum einen Zweifel, dass wir zusammengehörten und heirateten. Ein Jahr später zog ich mit meinem Sohn Samuel nach Grenchen, wo uns mein Ehemann ein wunderbares Nest bereit hielt. Doch wir sollten in dieser Stadt keine Wurzeln schlagen. Zwar kam unser Sohn Jonas hier zur Welt, doch wir zogen es vor nach Leubringen zu ziehen, wo wir uns ein Haus bauen und Samuel einschulen wollten.
Weil uns eine Grossbank kurz vor Vertragsunterzeichnung mit einem höheren Angebot beim Landverkäufer ausstach - die Pläne waren schon gezeichnet - fiel das Projekt ins Wasser und wir mussten in der wohl schlimmsten Wohnung im ganzen Dorf ausharren. Die Lage spitzte sich dann noch zu, weil unser dritter und ältester Sohn Edward zu uns zog. Zwei Jahre mussten wir warten bis wir endlich eine anständige Bleibe hoch über Biel gefunden hatten.
Edward und Samuel wuchsen in Accra zusammen in unserer Frauen-Wohngemeinschaft auf. Da Samuel immer wieder fragte, wo sein "Bruder" Edward denn sei, was er denn mache und warum er nicht bei uns sein könne, beschlossen wir, Edward zu adoptieren und ihn zu uns zu holen. So kam es zu unserer Patchwork-Familie, "The coloured family Bucher", wie wir uns gerne scherzhaft nennen.
Wäre meine Familie noch intakt gewesen wie sie das nach alter Tradition eigentlich hätte sein sollen, wäre mein Schicksal immerhin etwas erträglicher gewesen. Doch so musste ich mir meine eigene neue Familie suchen, mir meine Wahlverwandtschaft selber wählen. Es kam gut und ich fand Unterschlupf bei der Grossfamilie meiner damals besten Freundin. Als jüngste Mutter fühlte ich mich zuständig für alle noch schulpflichtigen Kinder der Familie. So erzog ich wie aus heiterem Himmel plötzlich nicht nur ein, sondern drei, vier Kinder gleichzeitig. Durch unsere meist von Frauen getragenen Arbeitsteilung überlebte ich diese Zeit der ersten Jahre meines Erstgeborenen mehr oder weniger in Würde, aber mit ungewisser Zukunft.
Da kam es mir gerade recht als mich mein Bruder in die Schweiz auf einen dreimonatigen Aufenthalt einlud, wohin dieser mit seiner Schweizer Frau gezogen ist, nachdem er einen schweren Motorradunfall mit bleibenden Folgen überlebte. Derart versehrt konnte er seinen gefahrvollen Auftrag als Personenschützer nicht mehr ausführen und musste Ghana aus Sicherheitsgründen verlassen.
In der Schweiz lernte ich einen Freund der Familie meines Bruders kennen. Was in der Schweiz seinen Lauf nahm, entwickelte sich über die Distanz einiger tausend Kilometer und über den Zeitraum eines halben Jahres. Die Telefonkosten waren immens, Internet gab es damals in Ghana noch nicht. So besuchte mich mein heutiger Ehemann in Ghana, und wir hatten kaum einen Zweifel, dass wir zusammengehörten und heirateten. Ein Jahr später zog ich mit meinem Sohn Samuel nach Grenchen, wo uns mein Ehemann ein wunderbares Nest bereit hielt. Doch wir sollten in dieser Stadt keine Wurzeln schlagen. Zwar kam unser Sohn Jonas hier zur Welt, doch wir zogen es vor nach Leubringen zu ziehen, wo wir uns ein Haus bauen und Samuel einschulen wollten.
Weil uns eine Grossbank kurz vor Vertragsunterzeichnung mit einem höheren Angebot beim Landverkäufer ausstach - die Pläne waren schon gezeichnet - fiel das Projekt ins Wasser und wir mussten in der wohl schlimmsten Wohnung im ganzen Dorf ausharren. Die Lage spitzte sich dann noch zu, weil unser dritter und ältester Sohn Edward zu uns zog. Zwei Jahre mussten wir warten bis wir endlich eine anständige Bleibe hoch über Biel gefunden hatten.
Edward und Samuel wuchsen in Accra zusammen in unserer Frauen-Wohngemeinschaft auf. Da Samuel immer wieder fragte, wo sein "Bruder" Edward denn sei, was er denn mache und warum er nicht bei uns sein könne, beschlossen wir, Edward zu adoptieren und ihn zu uns zu holen. So kam es zu unserer Patchwork-Familie, "The coloured family Bucher", wie wir uns gerne scherzhaft nennen.
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