Seit 1996 lebe ich nun in der Schweiz, eingewandert aus Ghana - ich war seither erst zweimal wieder in meiner alten Heimat - zusammen mit meinem Ehemann und meinen drei Söhnen. Wie habe ich damals gestaunt über dieses saubere Land und wie alles fast perfekt geregelt war. Gut, mit der Zeit merkte ich schon, dass nicht alles Gold war was mir zu glänzen schien. Doch im Gegensatz zu meinem Heimatland gibt es hier keine Korruption und auch wie die Politiker miteinander umgehen, respektive umgegangen sind, hält einem Vergleich mit meinen Erfahrungen in Togo, meinem Mutterland, nicht stand.
Doch plötzlich begann sich für mich die Stimmung in der Schweiz jener in Togo zu ähneln. In der Ejadema-Diktatur war es unmöglich in der Öffentlichkeit seine persönliche politische Meinung zu äussern. Man musste befürchten, dass irgend jemand einen bei Ejademas Killertruppe anschwärzte und diese einen verschwinden liessen. Als ich 14 Jahre alt war, liess Ejadema meinen Onkel Kofi Kongo umbringen und meine ganze Familie lebte fortan unter genauster Beobachtung.
Dabei waren wir Ewes in der Mehrheit und Ejademas Stamm bildet die Minderheit. Ich erinnere mich genau, wie das alles anfing. Über eine lange Zeitperiode baute sich der Meinungsterrorismus auf . War es anfänglich noch möglich an den Wahlen teilzunehmen, verzichtete man mit der Zeit aus persönlicher Sicherheit auf dieses Recht. Man wusste ja nie. Und irgendeinmal begannen wir das Land zu verlassen, besonders wenn Wahlen angesagt waren. Denn es kam immer mehr vor, dass unsere Leute verschwanden und später tot im Meer treibend gefunden wurden. Was da genau passierte, wussten wir nie und fanden es auch nie heraus.
Plötzlich kam es mir vor als würde hier in der Schweiz derselbe Prozess in Gang kommen. Keine Wahlen mehr wo nicht die SVP gewann, Sitz um Sitz zu legte und gleichzeitig die Rhetorik immer gehässiger werden liess bis zum heutigen Tag. Gegen jede und jeden der oder die eine andere Meinung hatte, die Linken und Netten, dann die Weichsinnigen, dann die Ausländer und in der Weltwoche heute schon wieder die Juden. Und jetzt als vorläufiger Höhepunkt der Rachefeldzug des verbitterten Blochers, der mich mehr und mehr an den alten Diktatoren Ejadema erinnert, gegen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Dabei warnte uns Blocher's Schwester hier im "Bieler Tagblatt" schon vor Jahren: ihr Bruder sei ein Gefährlicher. Wir fangen an zu begreifen.
Doch heute erlebte ich etwas was ich weder in Togo noch in Ghana in dieser Form beobachten konnte. Ich nahm zum ersten Mal hier in der Schweiz an einer Demonstration teil, einer sehr friedlichen, bunten und in ihrer Entschlossheit überwältigenden Stimmerhebung von mehr als 10'000 Menschen. So etwas hätte ich mir nicht vorstellen können und auch gar nicht, dass das in mir so starke Emotionen wecken würde. Wie staunte ich ob all diesen Frauen und Männern aus allen Schichten der Schweizer Bevölkerung aus allen Landesteilen. Besonders überrascht war ich, dass nicht nur gleichaltrige und jüngere Menschen auf dem Bundesplatz waren, sondern besonders auch viele jenseits des Pensionsalters, viele Menschen der Blocher Generation waren da und applaudierten und freuten sich an den klaren Statements für eine Schweizer Demokratie voller Respekt für andere Meinungen und gegen die Ausgrenzung. Ich habe diese Demonstration als Zeichen erlebt und als Grenzziehung gegen die heutige SVP-Führung, die lieber heute als erst morgen ihren Abschied gibt und den Gemässigten und Vernünftigen in ihren Reihen Platz macht.
Als heute Nachmittag überraschend Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf auf dem Bundesplatz erschien, bahnte sich die Sonne einen Weg durch den Regen verhangenen Himmel. Das traf mich im Herzen und ich konnte jubeln. Ich verlor eine sich lange aufgebaute innere Spannung. Die Angst, das Ejadema-Gespenst wich endlich von meinem Herzen.
Nun hoffe ich, dass sich die SVP auf den Weg macht und sich von ihrem Joch befreit. Ich glaube nicht, dass ich danach wirklich Sympatien für die Inhalte dieser Partei entwickeln könnte. Aber ich würde mich freuen, mich mit SVP-Politikern auseinanderzusetzen und um Positionen zu kämpfen. Ich möchte das frei von Angst tun von ihnen verunglimpft und wegen meiner Herkunft und meiner Hautfarbe ausgegrenzt zu werden.
Ich hoffe, das Eveline, wie sie heute von allen im Chor gerufen wurde, mit unserer heutigen Sympathiekundgebung gegen die Perfidie eines Burebüeblis Brunner - ich kannte das heute im vielstimmigen Chor auf dem Bundesplatz gesungene Lied über das Burebüebli von meinen Patienten im Alters- und Pflegeheim, die das hie und da anstimmen - bestehen wird.
Heute lernte ich, dass mein Mann Recht hatte, wenn er mich darin korrigierte die Schweiz falsch einzuschätzen. Ich konnte es nicht fassen, dass Messerstecherinserate, nach Schweizerpässen greifende farbige Hände und schwarze Schafe nur die Meinung einer irregeleiteten Minderheit und nicht die Schweiz darstellte. Heute durfte ich zusammen mit mehr als 10'000 Schweizerinnen und Schweizer direkte friedliche Demokratie erleben . Ich sah, wie Anstand, menschlicher und politischer Anstand, eingefordert wurde.
Wir werden das Kommnende gemeinsam mit Eveline Widmer-Schlumpf durchstehen und nicht aufgeben eine auf Ausgleich und Kooperation ausgerichtete Demokratie wieder einzurichten.
Mit heute ging die Aera Blocher vorbei, bald schon wird sie abgeschlossen sein, im Mottenschrank der Geschichte zusammen mit anderen Extremisten.
Freitag, 11. April 2008
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen